Am 17. Mai 2017 wurde die 2. Aktionärsrechterichtlinie (Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates) veröffentlicht, die von den EU-Mitgliedsstaaten bis 10. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen ist. Vom deutschen Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz wurde hierzu im Oktober 2018 ein Referentenentwurf erstellt. Das Ministerium hat eine Reihe von Institutionen - darunter auch CRIC - eingeladen, hierzu eine Stellungnahme zu verfassen und einzureichen.
CRIC ist dieser Einladung gerne nachgekommen. Grundsätzlich ist die 2. Aktionörsrechterichtlinie zu begrüßen: das Ziel ist es nämlich, die Rechte von Aktionärinnen und Aktionären zu stärken und die Transparenz zwischen den Gesellschaften, den Finanzdienstleistern und den Investierenden zu erhöhen. Diese Ziele decken sich mit zentralen Anliegen der ethisch-nachhaltigen Geldanlage. Außerdem begrüßenswert ist, dass in der EU-Richtlinie sozialen und ökologischen Aspekten ein eigenständiger Stellenwert eingeräumt wird. So wird an mehreren Stellen empfohlen, soziale und ökologische Aspekte zu adressieren und zu fördern. Im Referentenentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie wird diese Zielsetzung jedoch abgeschwächt - was der erste Kritikpunkt von CRIC an diesem Referentenentwurf ist.
Der zweite Kritikpunkt betrifft das Votum der Hauptversammlung zur Vergütungspolitik von Unternehmen. Wenn man den Text genau liest, empfiehlt die EU-Richtlinie, das Votum der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik von Gesellschaften verbindlich zu machen. Erst in weiterer Folge wird auch die Möglichkeit eingeräumt, dieses Votum als rein beratend zu definieren. Der Referentenentwurf wählt diese Option und schlägt vor, das Votum der Hauptversammlung lediglich als unverbindliche Meinungsäußerung zu interpretieren. Was widersprüchlich und kontraproduktiv ist: denn welchen Effekt zur Förderung der Aktionärsrechte hätte ein nur beratendes Votums? Wie könnten die Rechte von Aktionären besser gefördert werden, als durch ein verbindliches Votum? Und mit welcher Begründung könnten das Votum der Mehrheit der Aktionäre nicht als eindeutige Willenserklärung der Eigentümer der Gesellschaft gedeutet werden? Da es sich ja um eine AktionärsRECHTErichtlinie handelt, sollten die in der EU-Richtlinie gegebenen Möglichkeiten zur Förderung der Rechte von Aktionärinnen und Aktionären tatsächlich auch genutzt werden. CRIC regt in seiner Stellungnahme deshalb an, das Votum der Hauptversammlung zur Vergütungspolitik als verbindlich zu definieren.
Insgesamt zeigt sich - und diese Erfahrung konnte u.a. auch bei der Richtlinie für die betriebliche Altersversorgung (EbAV) gemacht werden, die ebenfalls Anfang des Jahres 2019 in nationales Recht umzusetzen ist -, dass EU-Richtlinien durchaus einen Handlunsspielraum und damit auch eine Möglichkeit bieten, um Nachhaltigkeit bei der Geldanlage regulatorisch zu fördern. Allerdings wird am Beispiel der deutschen (und auch der österreichischen) Umsetzung der EU-Richtlinien deutlich, dass dieser Handlungsspielraum für mehr Nachhaltigkeit am Finanzmarkt von den EU-Mitgliedern oft nicht genützt wird. Warum dem so ist, darüber darf spekuliert werden.
Die CRIC-Stellungnahme können Sie hier herunterladen.