Drei Fragen an Dr. Karin Bassler, Mitglied im CRIC-Vorstand

"Darum muss der aus klimapolitischen Gründen nötige Strukturwandel sozial gerecht vonstattengehen" 

Die Pfarrerin, Diplom-Kauffrau und Geschäftsführerin beim Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (AKI) Dr. Karin Bassler ist seit März 2019 Mitglied im Vorstand von CRIC. In der neuen Rubrik „Drei Fragen an“ erzählt sie, was sie vor zwei Jahrzehnten zum ethisch-nachhaltigen Investment geführt hat, wofür sie sich bei CRIC einsetzen möchte und welche Themen ihr in der aktuellen Debatte besonders wichtig sind.

Frau Dr. Bassler, Sie befassen sich bereits seit 20 Jahren mit ethisch-nachhaltigen Investments. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Als Pfarrvikarin hatte ich nach der zweiten Kinderpause von 1999 bis 2002 eine Stelle als Studienassistentin in der Gruppe Wirtschaft der Evangelischen Akademie Bad Boll. Diese Gruppe wurde vom damaligen Finanzdezernenten der Württembergischen Landeskirche regelmäßig als „Thinktank“ angefragt, um im Dialog mit ihm neue Fragestellungen zu recherchieren und in Form von Tagungen und Publikationen aufzubereiten.

Eines unserer gemeinsamen Hauptthemen in dieser Zeit war „Ethisches Investment“ und speziell die Frage, wie kirchliche Anleger weltweit damit umgehen und was wir in Württemberg daraus lernen können. „Geht die Kirche an die Börse?“ – fragten wir in der Ankündigung einer internationalen Konferenz im April 2001 und das klang damals für viele kirchliche Finanzverantwortliche hierzulande noch ziemlich abwegig und herausfordernd.

Die Referierenden kamen aus ganz Europa aber auch aus Übersee, um ihre verschiedenen Ansätze vor- und zur Diskussion zu stellen. Die Veranstaltung und der daraus hervorgegangene Tagungsband „Ethisches Investment – Strategien für kirchliche Geldanlagen“ waren ein Meilenstein in der Entwicklung dieses Themas in Deutschland.

Eine ganze Reihe der dort geknüpften Kontakte bestehen bis heute. Die Frage, wie die Kirchen mit ihrem Geld umgehen, hat mich seither nicht mehr losgelassen und die Beschäftigung damit mündete in einer 2006 erschienenen Dissertation zum kirchlichen Finanzmanagement. 2011 wurde dann das ethisch-nachhaltige Investment zum Dreh- und Angelpunkt meiner Berufstätigkeit und ist es bis heute geblieben.

Sie gehören seit März dieses Jahres dem Vorstand von CRIC an. Wofür möchten Sie sich in dieser Rolle besonders einsetzen?

Mich faszinieren besonders die Möglichkeiten des kollaborativen Engagements, also der Dialog mit Unternehmen, aber auch mit Regulatoren, für den sich mehrere Investoren(-gruppen) zusammenschließen. Kirchliche Anleger machen schon seit Längerem sehr ermutigende Erfahrungen mit diesem Instrument der ethisch-nachhaltigen Geldanlage, besonders dann, wenn sie mit kirchlichen Entwicklungs-NGOs kooperieren.

Mit der Kombination aus ethischer Motivation, fundierter Nachhaltigkeits-Expertise und finanziellem Gewicht lassen sich Türen öffnen und Dinge in Bewegung setzen in einem Maße, wie das einzelnen Akteuren nie möglich wäre. Diese Erfahrungen aus dem evangelischen AKI (Arbeitskreis Kirchlicher Investoren) bringe ich gerne bei CRIC ein und möchte mich dafür einsetzen, unter anderem mit CRIC zusammen das kollaborative Engagement weiterzuentwickeln und dessen ökumenische Möglichkeiten auszuloten.

Ich war acht Jahre lang Pfarrerin in einer ökumenischen Hochschulgemeinde zusammen mit einem sehr geschätzten katholischen Kollegen und bin überzeugt davon, dass in prinzipiell kirchenfernen Umgebungen die Stimme der Kirchen zwar durchaus gehört und auch ernst genommen wird, dass aber ein explizit konfessionell getrenntes Auftreten kaum vermittelbar und letztlich auch der Glaubwürdigkeit abträglich ist – und das gilt für Finanzmärkte ebenso wie für Universitäten. Auch wenn noch einige Hindernisse auszuräumen sind: Mein Ziel ist hier wie dort ein gemeinsames und ökumenisches Auftreten.

Das Thema ethisch-nachhaltige Investments erhält aktuell so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Weisen die Debatten aus Ihrer Sicht in die richtige Richtung bzw. welche Aspekte sind möglicherweise unterbelichtet?

Ich finde es gut, dass institutionelle Investoren weltweit zu den Akteursgruppen zählen, die am entschlossensten und wirksamsten gegen die Klimaerwärmung kämpfen, und zwar mit den verhindernden, fördernden und gestaltenden Instrumenten der ethisch-nachhaltigen Geldanlage. Die Financial Times bezeichnete die „Money managers“ in einem Artikel vom 27. Dezember 2018 als the new warriors of climate change und zeigte am Beispiel von Shell, was Investoren – übrigens angeführt vom Church of England Pensions Board – bei den großen Ölunternehmen erreichen können, wenn es darum geht, CO2-Emissionen zu reduzieren.

Das auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, steht zu Recht ganz oben auf der Agenda nicht nur der „Fridays for Future“, sondern auch des ethisch-nachhaltigen Investierens. Denn wenn dieses Ziel verfehlt wird, dann brauchen wir uns über die Erreichung aller anderen ethisch-nachhaltigen Ziele keine Gedanken mehr zu machen. Darüber herrscht ein breiter Konsens unter langfristig orientierten Finanzmarktteilnehmern, die sich auf Plattformen wie Institutional Investors Group on Climate Change oder Climate Action 100+ organisiert haben.

Doch gerade angesichts dieser herrschenden Übereinstimmung ist es mir wichtig, das Klimaziel nicht isoliert zu betrachten und beim Thema Nachhaltigkeit nicht die sozialen Aspekte aus dem Blick zu verlieren.

E-Mobilität reduziert Emissionen, aber der Bedarf an Lithium für die Batterien wird unter Tolerierung von massiven Menschenrechtsverletzungen und gravierenden Umweltschäden bei der Gewinnung gedeckt. Kohleabbau und -verstromung gefährden Klimaziele, aber die Schließung von Abbaustätten und Kraftwerken erzeugt Arbeitslose, abgehängte Regionen, verödete Städte und den Nährboden für Populismus und Demokratieverdrossenheit.

Darum muss der aus klimapolitischen Gründen nötige Strukturwandel sozial gerecht vonstatten gehen. Der Fokus darf nicht nur auf die „stranded assets“ gerichtet sein, sondern muss auch die „stranded humans“ und die „stranded communities“ berücksichtigen. Auch hier sind es wieder die Kirchen, die ja nicht in erster Linie Investoren sind, sondern mit Menschen zu tun haben, aber auch Gruppierungen wie die Just Transition Initiative und CRIC, die die soziale Verantwortung betonen. Letztlich geht es darum, die einzelnen UN-Nachhaltigkeitsziele nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie so umzusetzen, dass niemand zurückgelassen wird. 

Weitere Informationen zu Dr. Karin Bassler und den anderen Mitgliedern des CRIC-Vorstands gibt es hier.

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