Studie im Auftrag des NABU: Deutsche Investoren berücksichtigen Biodiversitäts-Aspekte bisher kaum

Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) legte im Juni 2022 eine Bestandsaufnahme zum Thema Sustainable Finance – Die Berücksichtigung von Biodiversität und Ökosystemleistungen vor. Die Studie mit dem gleichen Titel enthält zudem eine Bewertung und Handlungsempfehlungen. Auftraggeber ist der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU).

Die Publikation gibt insbesondere einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen bei der Berichterstattung von Unternehmen, und hier vor allem zu der im politischen Abstimmungsprozess befindlichen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die drei Studienautoren untersuchten außerdem, welche Relevanz das Thema aus Sicht von Investoren hat und wie Aspekte von Biodiversität und Ökosystemleistungen in die Unternehmensbewertung privater Ratingagenturen einfließen.

Ansatz der Doppelten Materialität „angebracht“ 

Bezüglich der CSRD loben die UFZ-Wissenschaftler den dort genutzten Ansatz der doppelten Moderialität. Dieser sei aufgrund der komplexen Beziehungen zwischen Biodiversität und wirtschaftlichen Unternehmungen sowie dem systemischen Risiko durch Biodiversitätsverlust "angebracht“.  Ansätze der Privatwirtschaft hingegen verfolgten zumeist Ansätze der finanziellen Wesentlichkeit (Outside-In-Perspektive), was kritisch bewertet wird.

Wegen des Anspruchsniveaus lobend hervorgehoben wird außerdem der am 30. März von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) veröffentliche Entwurf für einen Standard der Unternehmensberichterstattung zum Thema Biodiversität. Die Autoren empfehlen für den EFRAG-Standard Querverbindungen zu anderen Initiativen. So arbeitet auch das International Sustainability Standards Board (ISSB) aktuell an Standards, die jedoch auf Aspekte finanzieller Wesentlichkeit fokussierten (Outside-In-Perspektive). Das UFZ empfiehlt eben für diesen Aspekt der Outside-In-Perspektive dem EFRAG-Standard eine direkte Bezugnahme auf den ISSB-Standard. 

Anmerkung: Laut UFZ-Studie wurde Ende April von der EFRAG "ohne vorherige Ankündigung ein signifikant überarbeiteter Entwurf zum Biodiversitätsstandard“ vorgelegt, der an Umfang und Detailtiefe verloren hätte. 

Verknüpfung zum EU-Lieferkettengesetz herstellen 

Zudem wird eine Verknüpfung der CSRD zum EU-Lieferkettengesetz nahegelegt, das unter dem Namen EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD) als Entwurf vorliegt. Auf diese Weise würden „Unsicherheiten in Bezug auf eine Wertschöpfungsketten-Berichterstattung minimiert und Aspekte von Biodiversität und Ökosystemleistungen auch aus rechtlicher Perspektive innerhalb des Standards gestärkt.“ 

Als für Investoren relevante Rahmenwerke führt die Studie neben der CSRD und dem ISSB-Standard die Vorgaben der Task Force on Nature-Related Financial Disclosure (TNFD) auf sowie die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung. Die Autoren erachten es als wichtig, dass die CSRD bzw. der zugehörige Berichtsstandard sich auf die technischen Screening-Kriterien der Taxonomie bezieht. Als für den Bereich „Impact“-Messungen am vielversprechendsten wird das ENCORE-Tool (ENCORE = Exploring Natural Capital Opportunities, Risks and Exposure) genannt. Hierauf referenzieren auch die CSRD, das ISSB und die TNFD. 

Die Finance-for-Biodiversity Foundation 

Die Studienautoren stellen grundsätzlich ein zentrales Interesse der Finanzbranche an Aktivitäten im Bereich Biodiversität und Ökosystemleistungen fest, für die auch signifikante Ressourcen bereitgestellt würden. Vor allem heben sie die Finance-for-Biodiversity Foundation und ihren Finance-for-Biodiversity-Pledge hervor: Deren fortlaufendeArbeit sei eine effiziente und effektive Möglichkeit für Investoren, sowohl aktuelle Ansichten und Entwicklungen innerhalb des (europäischen) Finanzinvestoren-Segments zu verfolgen, als auch direkt oder indirekt eigene Schwerpunkte bzw. Aspekte mittelbar in deren Arbeit bzw. in Politikbemühungen einzubringen. 

Mit Blick auf diese und andere untersuchte Einzelinitiativen (siehe hier Seite 3) ist aber der Studie zufolge bei deutschen Investoren anzumerken, dass diese dort keine nennenswerte Rolle spielen, was bei Akteuren aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden anders sei. Im internationalen Vergleich berücksichtigen deutsche institutionelle Investoren Aspekte von Biodiversität und Ökosystemleistungen aktuell kaum, bemängelt die Studie daher. Zumindest sei dies nicht in einem ähnlich ambitionierten Format feststellbar wie etwa bei Investoren aus den genannten Ländern. 

Nachhaltigkeits-Ratings: Biodiversität und Ökosystemleistungen spielen kaum eine Rolle 

Bei privaten Nachhaltigkeits-Rating-Agenturen konstatieren die drei Studienautoren, dass trotz einer weit verbreiteten Berücksichtigung von ökologischen Aspekten an sich Biodiversität und Ökosystemleistungen kaum eine Rolle spielen würden. Im Vordergrund stünden bei allen Anbietern Klimaaspekte. Biodiversität und Ökosystemleistungen würden meist nur im Zusammenhang mit Abhängigkeiten von Naturkapital einfließen. Werde von dieser Kritik abgesehen, könnten die Ansätze von Fitch sowie S&P, für den Teilaspekt „Reputationsrisiken“ von RepRisk, als „Best Practice“-Vorbilder genannt werden. 

Zentrale Botschaft: hohe Relevanz und Dringlichkeit einer aussagekräftigen und belastbaren Unternehmensberichterstattung

Als zentrale Botschaft der Studie nennen die drei Autoren diejenige der hohen „Relevanz und Dringlichkeit einer aussagekräftigen und belastbaren Unternehmensberichterstattung insbesondere für Biodiversitätsaspekte, da jene die Grundlage politischer, v.a. aber finanzwirtschaftlicher Entscheidungsprozesses maßgeblich definiert.“

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