Rückblick auf die CRIC-Fachtagung "Geld und Frieden"

Am 1. Dezember fand die CRIC-Fachtagung "Geld und Frieden" in Frankfurt am Main statt. Einen Überblick über Tagungsverlauf und Inhalte bietet auch das aus dem Graphic Recording resultierende Bild.

 GR CRIC

Einen schriftlichen Rückblick gibt es hier: 

Bei der CRIC-Fachtagung Geld und Frieden ging es im ersten Vortrag um die wechselseitige Abhängigkeit von Frieden und Nachhaltigkeit. Prof. Dr. Jürgen Scheffran von der Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit und vom Institut für Geographie an der Universität Hamburg gab zu dieser Fragestellung einen einleitenden Überblick.

Der Wissenschaftler referierte über so unterschiedliche Aspekte wie Wachstum und Nachhaltigkeit in Natur und Gesellschaft, Umweltkrisen, bewaffnete Konflikte, Flucht und Vertreibung weltweit, Rüstungsausgaben, globale Treibhausgasemissionen, den Klimawandel als Risikofaktor, zunehmende Naturkatastrophen und mögliche Pfade klimabedingter Destabilisierung.

Positive Ereignisketten in Gang setzen

Prof. Dr. Jürgen Scheffran stellte zudem dar, wie es möglich sein kann, von einem negativen Nexus aus Migration, Klimawandel und Konflikten zu einem positiven zu kommen und positive Kipppunkte zu erreichen, entsprechende Ereignisketten in Gang zu setzen und positive Strategien und Synergien zu nutzen. Ein Baustein kann hier die Friedenspsychologie sein, die Inhalt des Vortrags der Psychologin Monika Lauer Perez war.

Sie erläuterte, dass die Friedenspsychologie sowohl ein Teil der Friedensforschung als auch ein Teil der Psychologie ist und sich mit den psychologischen Aspekten von Frieden, Konflikt, Gewalt und Krieg beschäftigt. Dabei umfasse die Friedenspsychologie die vier Kernbereiche Forschung, Bildung und Erziehung, Praxis und politische Einflussnahme.

Positiver Frieden bedeutet gleichwertige Entwicklungschancen für alle

Monika Lauer Perez erläuterte zudem das Konzept eines positiven und negativen Friedens. Während letzterer ausschließlich die Abwesenheit von direkter Gewalt bedeute, gehe es beim positiven Frieden um gleichwertige Entwicklungschancen für alle auf Grundlage vorhandener Potenziale ohne kulturelle und strukturelle Einschränkungen. Sie sprach abschließend davon, dass wir in der Epoche der Ambivalenz leben und friedensfördernde Investitionen unter anderem Bewusstsein, Gewissen, Transparenz, Vertrauen und Solidarität bedürften.

Beim nächsten Themenblock stand die Frage im Mittelpunkt, ob und falls ja, wie Investierende Frieden fördern können. Ulrike Lohr vom Südwind-Institut referierte über die bis dato lediglich als Vorschlag bestehende soziale Taxonomie. Ihrer Meinung nach würde ein Klassifikationssystem für sozial-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten durchaus als Rahmen für friedensstiftende Investitionen taugen.

Indirekt in Frieden investieren: Grundversorgungsleistungen wie Trinkwasser und Bildung stärken

Die Expertin für insbesondere die sozialen Aspekte von Sustainable Finance ging unter anderem auf Social Bonds ein und auf indirekte Möglichkeiten, Frieden zu fördern, indem etwa Grundversorgungsleistungen, zum Beispiel Zugang zu Bildung oder Trinkwasser, gestärkt werden.

Im Anschluss an den Vortrag zur sozialen Taxonomie gab Axel Wilhelm, Geschäftsführer von imug rating, einen Überblick zu Anknüpfungspunkten aus Sicht einer Nachhaltigkeits-Rating-Agentur. Hierbei ging er unter anderem auf das Screening von kontroversen Tätigkeiten wie Militärisches und unterschiedliche Arten von Waffen ein sowie auf im Zusammenhang mit Frieden stehende Ausschlusskriterien für Staaten und Unternehmen.

Sein abschließender Ausblick ging von den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen aus und gab dem Publikum als Denkanstoß drei Verständnisse von Nachhaltigkeit mit auf den Weg: Erstens der Interessensausgleich Soziales – Ökologie – Ökonomie, zweitens die Mickey-Mouse-Nachhaltigkeit, bei der Soziales und Ökologie an die Ökonomie wie zwei Ohren angeklebt sind, und drittens die Nachhaltigkeit innerhalb planetarer Belastungsgrenzen.

Der Ausschluss von Waffen und Fossilen

In dem Beitrag von Kathrin Petz von urgewald stand der Auschluss von Fossilen und Rüstung im Zentrum. Konkret ging es um die öffentlich zugänglichen und nutzbaren Divestment-Listen der zivilgesellschaftlichen Organisation: Die Global Coal Exit List (GCEL), die Global Oil & Gas Exit List (GOGEL) und exitarms.org. Wie bereits Prof. Jürgen Scheffran, ging Kathrin Petz auf den Zusammenhang von Fossilen und Kriegen ein und gab abschließend dem Publikum folgendes Zitat des Dalai Lama mit auf den Weg: „Wenn du denkst, du bist zu klein, um etwas zu bewirken, dann versuche mal mit einer Mücke in einem Raum zu schlafen.“

Nach der Mittagspause ging es sehr praktisch weiter. Den Auftakt machte Tommy Piemonte von der Bank für Kirche und Caritas (BKC) mit einem Referat über Erwartungen von Investoren an das erste Treffen der Vertragsstaaten zum Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW). Beim Treffen zum TPNW nämlich wurde erstmals ein Investoren-Statement gegen Atomwaffen mit Forderungen an die TPNW-Unterzeichnerstaaten verlesen. Zu den 37 institutionellen Investoren, die das Statement unterzeichnet hatten, gehörte auch die BKC.

Privates Kapital für die Minenräumung mobilisieren

Im Anschluss daran ging es um konkrete Möglichkeiten, privates Kapital für die Minenräumung zu mobilisieren. Über dieses Thema sprach Anna von Griesheim von der gemeinnützigen Organisation Social Finance. Sie stellte drei Möglichkeiten vor, wie Investmentvehikel aussehen können, um privates Kapital für die Minenräumung einzusetzen. 2023 soll ein Impact Bond zur Minenräumung und landwirtschaftlichen Entwicklung in Kambodscha an den Start gehen.

Über sozio-ökonomische Ungleichheit und die Frage, was die Finanzwirtschaft und Investierende damit zu tun haben, sprach Delilah Rothenberg. Die Mitgründerin der Task Force on Inequality-Related Financial Disclosures (TIFD) stellte die Arbeit der Initiative vor, die mittels eines Rahmenwerkes für systemisches Risiko-Management die vom Privatsektor geschaffene Ungleichheit verringern helfen will. Zwischen Ungleichheit, Ressourcenkonflikten und sozialen Spannungen bestehen nach Einschätzung von Delilah Rothenberg vielfache Zusammenhänge. 2024 soll die Pilotphase der Beta-Version des Rahmenwerks starten.

Unabhängige Medien fördern die Achtung der Rechte des Einzelnen

Patrice Schneider vom Media Development Investment Fund (MDIF) referierte zum freien Zugang zu Informationen und unabhängigen Medien, die auch ein wesentlicher Bestandteil der UN-Nachhaltigkeitsziele sind – insbesondere des SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Unabhängige Nachrichtenorganisationen, die nicht von Regierungen, politischen Parteien und anderen parteipolitischen Interessen kontrolliert werden, fördern Patrice Schneider zufolge den Dialog und die Achtung der Rechte des Einzelnen und bieten der Gesellschaft eine Plattform, um ihre vielfältigen Stimmen zu äußern.

Neben der Verbesserung der demokratischen Regierungsführung und der Transparenz tragen die Medien ihm zufolge zur Entwicklung bei, indem sie positive Veränderungen im Verhalten von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen bewirken und ein Mittel zur Ausübung der Menschenrechte bieten. Der Fokus von Patrice Schneiders lag auf dem MDIF, der sei 25 Jahren in unabhängige Medien auf der ganzen Welt investiert.

Gemeinsam bearbeitete Fragen

Daran anschließend diskutierten alle Gäste und Referierenden im Rahmen eines interaktiven Formats folgende drei Fragen:

  1. Warum kann Sustainable Finance einen Beitrag zum Frieden leisten und wie?
  2. Warum kann Sustainable Finance keinen Beitrag zum Frieden leisten?
  3. Welche konkreten praktischen Ansatzpunkte gibt es für Geld und Frieden?

Während ein positiver Beitrag zu Sustainable Finance zum Frieden langfristig und im Sinne politischer Stabilität, etwa über Investitionen in soziale Unternehmen oder menschliches und soziales Empowerment, gesehen wurde, nannten die Teilnehmenden als Aspekte, die einem Beitrag von Sustainable Finance für den Frieden im Wege stehen, Rendite und Wachstum um jeden Preis, starke Lobbyaktivitäten und einen Mangel an Bewusstsein.

Folgende konkrete Ansatzpunkte wurden bei der dritten Frage genannt: Rendite nach ESG (Environmental, Social, Governance) messen, eine soziale Taxonomie, den positiven Frieden stärken, die Gewaltökonomie eindämmen, Ausschlusskriterien für Rüstung und klimaschädliche Investitionen, Engagement für die Verminderung von Kriegsursachen, Mikrokredite, Initiativen wie TIFD, Dekolonisierung, Vermeidung von ausbeuterischen Aktivitäten und die Finanzierung von Friedensarbeit.

Ruanda: Wie Versöhnung und Friedenskonsolidierung gelingen konnten

Im Abschlussvortrag zeigte Patrice Ndayisenga, ein jesuitischer Priester aus Ruanda, die vielen Fortschritte auf, die Ruanda bei seinen Bemühungen um den Wiederaufbau nach dem Völkermord in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts machte. Ausgehend von einem faktisch gescheiterten Staat konnte die neue ruandische Regierung, profitierend von dem Wohlwollen der internationalen Gemeinschaft und der Großzügigkeit von Entwicklungsorganisationen und den von diesen zur Verfügung gestellten Mitteln, nach dem Völkermord effektiv den Wiederaufbau der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Institutionen des Landes vorantreiben.

Trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeiten und der berechtigten Kritik an der Umsetzung der Politik, wurde laut Patrice Ndayisenga eine große Widerstandsfähigkeit offenbar. Die Menschen in Ruanda seien in der Lage gewesen, durch Dialog, Konsens und eine gemeinsame Vision die Zukunft des Landes zu gestalten. Patrice Ndayisenga betonte abschließend, es sei kein Zufall, dass die wirtschaftliche Entwicklung zu den Faktoren gehörte, die den ruandischen Weg zur Versöhnung und Friedenskonsolidierung mit ermöglichte. Die Entwicklung habe den Menschen und den Überlebenden die Hoffnung auf eine bessere Zukunft gegeben, selbst nach tragischen Verlusten von Leben, Hab und Gut.

Präsentationen und weitere Materialien zum Download:

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