Rückblick zur Auftaktveranstaltung der CRIC-Reihe „Biodiversität und Sustainable Finance“

Am 25. April 2022 fand die Auftaktveranstaltung der CRIC-Reihe Biodiversität und Sustainable Finance statt, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Fragestellungen rund um dieses Thema beschäftigt. Im Rahmen dieser ersten Veranstaltung fand ein Dialog zwischen den Fachdisziplinen Biologie und Theologie statt, der zunächst in die Thematik einführen und die weitgehenden ethischen und naturwissenschaftlichen Hintergründe erleuchten sollte, bevor in den kommenden Veranstaltungen konkretere Fragestellungen zu Sustainable Finance betrachtet werden.

Eine kurze Einführung in die Veranstaltung mit dem Titel Im Gespräch: Der Mensch und die Vielfalt des Lebens aus Sicht von Biologie und Theologie gab Gesa Vögele. Der Verlust an Biodiversität habe weitreichende Folgen mit Blick auf den Erhalt der natürlichen Grundlagen, die die Basis des menschlichen Lebens darstellen. Dennoch nehme die Thematik wenig Platz im öffentlichen Diskurs ein, vollzieht sich das Artensterben doch still und gerät in einer Zeit der vielfachen Krisen in den Hintergrund. Dennoch erkenne die Politik Handlungsbedarf: In der Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission etwa heißt es, dass über die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts von Biodiversität abhänge. Der Rückgang der Artenvielfalt sei folglich für Wirtschaft und Finanzakteure problematisch, weshalb diese Risiken berücksichtigt werden müssten. Verantwortlich Investierende könnten zudem über nachhaltige Anlagestrategien Aspekte der Biodiversität berücksichtigen. Darüber hinaus sei Artenvielfalt grundsätzlich mit Fragen der Ethik, der Philosophie und der Religion verbunden. 

Wir, die Menschen und die Vielfalt des Lebens

Zunächst präsentierte Prof. Pierre L. Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, eine biologische Sicht auf Fragestellungen des Naturschutzes sowie der Ökosystemethik und des Ökohumanismus. Überall auf der Welt würden Ökosysteme durch den Menschen umgestaltet, um eigene Nutzungsinteressen zu befriedigen, was häufig mit unwiederbringlichen Schäden an der Natur verbunden sei. Konventionen haben sich zum Ziel gesetzt, dem Raubbau Einhalt zu gebieten, zuletzt mit dem Dekadenprojekt der Aichi-Ziele. Die Ökosystem-Ethik stelle eine normative Grundlage für den Auftrag, Ökosysteme, nicht so zu stören, dass unumkehrbare Schäden  an ihrer Funktionalität und den Lebensgrundlagen des Menschen die Folge sind. 

Die Rede vom „gemeinsamen Haus“ in Laudato si‘

Ursula Nothelle-Wildfeuer, Sozialethikerin und Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Freiburg, bezog sich in ihrem Vortrag auf die Rede vom „gemeinsamen Haus“ in der Umweltenzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015. Erstmals in der Tradition päpstlicher Soziallehre wurde der Umweltthematik ein gesamter Text gewidmet. Die christliche Terminologie weiche von der naturwissenschaftlichen ab, doch seien Gemeinsamkeiten auszumachen. Die Rede vom „gemeinsamen Haus“ impliziere, dass der Mensch in die Schöpfung eingebettet und ihm eine spezifische Verantwortung zukomme.

Darüber hinaus sei das Konzept der „Integralen Ökologie“ aufschlussreich. Dieses impliziert unter anderem, dass dem Ökosystem ein eigener Wert zukommt, Umweltschutz als Bestandteil des gesamten Entwicklungsprozesses anzusehen ist und Wechselwirkungen zwischen Ökosystemen und den verschiedenen sozialen Bezugswelten bestehen. Human-, Sozial-, Wirtschafts- und Kulturökologie spielen zusammen.

Laut Papst Franziskus verändert sich folglich ein ökologischer Ansatz immer in einen sozialen, der die Frage nach Gerechtigkeit in die Umweltdiskussion aufnehmen müsse. Es gebe also nur eine einzige sozioökologische Krise. Um das Konzept integraler Ökologie realisieren zu können, sei besonders das Medium des Dialoges hervorzuheben, der auf allen Ebenen notwendig sei – sowohl im Persönlichen als auch auf im Politisch-institutionellen. 

Die Frage nach dem guten Leben

Im Gespräch wurde von Pierre L. Ibisch zunächst die grundlegende Rolle der Diversität zum Erhalt des Lebens hervorgehoben. Erst wenn dieser Erhalt gesichert sei, könne die Frage nach dem guten Leben gestellt werden, für die neben philosophischen Erwägungen auch ökonomische Veränderungen notwendig seien. Ursula Nothelle-Wildfeuer knüpfte an den Stellenwert der Erziehung an und betonte, dass Spiritualität und Haltung dazu beitrügen, sich der Zugehörigkeit zur Umwelt bewusst zu werden und dem System respektvoll zu begegnen. Pierre Ibisch unterstrich, dass die Rolle der Wirtschaft unerlässlich für ein gutes Leben sei und dringend die Frage danach gestellt werden müsse, wie die Kontrolle über diese zurückerlangt werden könne.

Im Anschluss an einen Publikumsbeitrag, der auf Zusammenhängen zwischen der Covid-19-Pandemie und der Artenvielfalt verwies und danach fragte, ob mehr ziviles Engagement mit Hinblick auf Biodiversität notwendig sei, wurde von Pierre L. Ibisch argumentiert, dass die Biodiversitäts- nicht von der Klimakrise zu trennen sei und beide dieselben Ursprünge hätten. Auch stellte er die Frage in den Raum, ob wir nicht eine ökologische Leitwährung bräuchten. Zoonosen, das sind zwischen Tier und Mensch übertragbare Krankheiten, können als Quittung des gesellschaftlichen Verhaltens gedeutet werden, steigende Frequenzen seien zu erwarten. Laut Ursula Nothelle-Wildfeuer sei es in diesem Kontext Aufgabe der Kirche, die verschiedenen Krisen in ihrer Gleichzeitigkeit im Blick zu behalten und stets die menschliche Verantwortung hervorzuheben.

Abschließend schlug Ursula Nothelle-Wildfeuer vor, weiterhin den Dialog voranzutreiben, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf der Ebene der Akteure in der Gesellschaft. Der Zeitpunkt sei richtig, da Sensibilität aktuell vorhanden sei. Aufgrund ihrer breiten Vernetzung könne die Kirche in diesem Diskurs einen Beitrag leisten, ohne belehrend zu sein. Pierre L. Ibisch schließlich lud zum Nachdenken über Ökologiepflichtigkeit des Eigentums ein – ganz analog zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie es etwa aus dem deutschen Grundgesetz bekannt ist. 

Präsentationen zum Download 

Mitschnitt und weitere Veranstaltungen

Die Veranstaltung ist aufgezeichnet worden. Wir bitten darum, bei Interesse daran eine E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu senden. Wir schicken Ihnen den Link dann gerne zu.

Herzlich einladen möchten wir auch zu den Folge-Veranstaltungen der Reihe Biodiversität & Sustainable Finance:

  • 12. Mai 2022, 14 Uhr bis 15.30 Uhr: Politik im Fokus #6 – ein Überblick zur Regulierung rund um Sustainable Finance und Biodiversität mit Lana Ollier und Bruno Bischoff (beide ECOFACT) – zur Ameldung
  • 20. Mai 2022, 11 bis 13 Uhr: Praxisperspektiven #1 – Messen und Steuern: von Klima- zu Biodiversitätsrisiken mit Björn Holste (Liminalytics), GLS Bank (Jan Köpper) und Janine von Wolfersdorff (The New Institute) – zur Ameldung
  • 10. Juni 2022, 11 bis 12.30 Uhr: Engagement-Dialoge #3 – Investoren und Zivilgesellschaft gemeinsam gegen Entwaldung mit Tommy Piemonte (Bank für Kirche und Caritas), Matthias Narr (Ethos) und Sakina Johow (Survival International) – zur Ameldung

Weitere Informationen zu CRIC-Veranstaltungen gibt es hier.

 
© 2023 CRIC e.V. Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage. All Rights Reserved.
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.