Rückblick: Politik im Fokus #4 – Von der Nachhaltigkeits-Berichterstattung, die wir brauchen

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine erneuerte CSR-Richtlinie mit dem neuen Namen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im April dieses Jahrs gab Anlass zu breiten Diskussionen. Im CRIC-Online-Seminar der Reihe Politik im Fokus am 27. Juli 2021 stand nun die Frage im Vordergrund, welche Nachhaltigkeits-Berichterstattung wir angesichts der ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit brauchen.

Zu diesem Thema hielten Prof. Dr. Patrick Velte (Leuphana Universität Lüneburg) und Ralph Thurm (r3.0) zunächst Vorträge und diskutierten anschließend die Fragen der Teilnehmenden. Das gesamte Programm kann hier eingesehen werden. Die Veranstaltung wurde moderiert von Gesa Vögele, Mitglied der CRIC-Geschäftsführung.

Prof. Dr. Patrick Velte forscht zu Themen wie integrierte Berichten, Nachhaltigkeits- und Corporate Governance-Berichten und erläuterte zunächst grundlegende Elemente der CSRD, bevor er den Vorschlag in einen breiteren Kontext einordnete und auf weitere mögliche Maßnahmen zum Thema Sustainable Corporate Governance einging.

Ein Überblick zum Vorschlag der CSRD

Nach einem Überblick über die aktuellen europäischen Regulierungen, ordnete er die Nachhaltigkeits-Berichterstattung als eine zentrale Teilmenge neben den Sustainable Finance-Regulierungen und dem Thema Sustainable Corporate Governance des EU-Green Deal ein. Zentrale Inhalte des EU-Richtlinienentwurfs seien die Ausweitung des Anwenderkreises, ein künftiges Rahmenwerk für die Berichterstattung und Abschlussprüfung, das zur Standardisierung und Harmonisierung beitragen soll, außerdem die Ausweitung der Inhaltskriterien sowie die Frage des Ausweisortes und das Thema der Überwachung und Prüfung der Berichterstattung.

Mögliche Maßnahmen für eine Sustainable Corporate Governance

Prof. Dr. Patrick Velte lenkte den Blick außerdem auf das Thema Sustainable Corporate Governance und hob hervor, dass bereits einige bedeutende Schritte auf europäischer sowie auf deutscher Ebene geleistet wurden. In diesem Zusammenhang diskutierte er folgende Themen an: ESG-Komponenten in der Vorstandsvergütung, zwingende ESG-Expertise im Vorstand und Aufsichtsrat, zwingende Frauenquote im Vorstand und/oder Aufsichtsrat, einen Stewardship Kodex, eine institutionelle Stakeholder-Einbindung und die Debatte zu einem so genannten Sustainable Corporate Purpose, bei dem es um die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Zielen in der Unternehmensstrategie geht.

Sein Resümee: Um zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft zu kommen, müssen die drei Bereiche Sustainable Finance, Reporting und Governance ineinandergreifen. Eine Ausweitung der Berichterstattung und die verstärkte Regulierung zu Sustainable Finance allein genügten aber nicht, um die Ziele des EU-Green Deal zu erreichen.

Ralph Thurm ist Experte für Nachhaltigkeit und integrierte Berichterstattung und erläuterte in seinem Vortrag, weshalb aus seiner Sicht bislang lediglich ESG-Fortschrittsberichte, jedoch keine Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt worden sind.

Von tatsächlichen und normativen Impacts

Nach einer Einführung in die Tätigkeiten von r3.0 stellte Ralph Thurm deren Ausgangspunkt vor, der in der Anerkennung eines „Planetary Overshoot“ liege. Dem schließe sich die Frage nach der Messung von Nachhaltigkeit an. In diesem Zusammenhang stellte er den Sustainability Quotient vor, demzufolge Nachhaltigkeit die Messung der aktuellen (tatsächlichen) gegenüber normativen Impacts sei. Aktuell könne lediglich festgestellt werden, wie die derzeitige Performance gegenüber vorherigen Jahren ausfalle, woraus keine Aussage über tatsächliche Nachhaltigkeit getroffen werden könne.  Die Tatsache, dass die Umsetzung der Thresholds und Allocations, die seit 2002 in GRI-Guidelines als „supply“ und „demand“ benannt sind, ausblieb, führe zu einer Verweigerung einer tatsächlichen Nachhaltigkeitsmessung.

Konkrete Projekte: UNRISD/r3.0 Sustainable Indicators Project und Biodiversity Performance Index

Für mögliche Lösungsansätze stellte er darauf aufbauend aktuelle Projekte von r3.0 vor. Im Rahmen eines Projekts in Kooperation mit dem United Nations Research Institute for Social Development UNRISD geht es aktuell darum, Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung zu entwickeln und zu testen. Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet. Das nach den Worten von Ralph Thurm erste echte Indikatoren-Set für das Thema der biologischen Vielfalt wird, unter anderem in Kooperation mit dem Center for Sustainable Organizatios, im Rahmen eines Vorhabens zu einem Biodiversity Performance Index konzipiert.

Basis für eine wirklich nachhaltige Berichterstattung

Zuletzt ging Ralph Thurm darauf ein, wie eine wirklich nachhaltige Berichterstattung aussehen könnte. Diese würde auf drei Themenblöcken basieren: Purpose (Connectedness), Success und Scalability. Aus einer solchen Berichterstattung würden sich außerdem folgende Vorteile ergeben: ein gestärktes Vertrauen ins Unternehmen, Innovation und eine höhere Resilienz.

Offene Fragen

Im Anschluss an die Vorträge gab es eine Vielzahl von Fragen. Auf einige konnte im Rahmen des Seminars eingegangen werden. Aus Zeitgründen konnten jedoch nicht alle beantwortet werden. Ralph Thurm hat im Nachhinein noch seine Einschätzung zu folgenden Fragen gegeben:

Frage 1: Gibt es Werte im Nenner nur für Umwelt- oder ebenfalls für soziale Themen? 

Antwort 1: Ja. r3.0 benennt Thresholds und Allocations für Ecology, Economy, Social und Institutional.

Frage 2: Vor einigen Jahren gab es eine Diskussion um „schwache gegen starke“ Nachhaltigkeit (z. B., Konrad Ott, Marburg). Verfolgt Ihr Ansatz eine „starke“ Form von Nachhaltigkeit?

Antwort 2: In der Tat verfolgen wir „strong sustainability“. Ergebnis einer „soft sustainability“ war ESG. Dennoch wird es nicht für alle Indikatoren „hard context“ geben, sodass wir dies mit „soft context“ auffüllen, was den Indikatoren selbst geschuldet ist.

Frage 3: Wird die Perspektive eines „Sustainable Corporate Purpose“ als Regulierungsoption ernsthaft politisch diskutiert? Und falls ja, wo und wer sind die Fürsprechenden? 

Antwort 3: Man würde erwarten, dass diese Diskussionen in den Firmen und Industrieverbänden geführt und insbesondere von Investierenden eingefordert würden.

Ergänzung: Prof. Colin Mayer von der Oxford University befasst sich beispielsweise mit dem Thema Corporate Purpose.

Frage 4: Wo nehmen Sie die normativen Zielgrößen bzw. die Nenner im Nachhaltigkeitsquotienten her (jenseits des relativ eindeutigen Ziels Klimaneutralität)?

Antwort 4: Alle Nenner der Indikatoren wurden auf Basis von wissenschaftlich-basierten Systemgrenzen und ethischen Normen entwickelt. 

Die Veranstaltung wurde mitgeschnitten. Der Link zum Video wird auf Anfrage unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! gerne zur Verfügung gestellt.

Die Präsentationen zum Download:

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Über die Reihe Politik im Fokus: Fragestellungen rund um das ethisch-nachhaltige Investment und eine nachhaltige Finanzwirtschaft stehen in politischen Debatten auf nationaler wie auf internationaler Ebene hoch im Kurs. Spätestens seit die EU im März 2018 ihren Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlichte, reiht sich eine regulatorisch-politische Initiative an die andere. CRIC begleitet diese Entwicklungen – etwa mit Kommentierungen und Stellungnahmen – und seit Juli 2020 zudem mit der Online-Reihe Politik im Fokus. Im Rahmen dieses Formats kommen Fachleute zu Wort, die informieren, einordnen helfen und neue Perspektiven einbringen. 

Weitere Veranstaltungen dieser Reihe waren:

Es stehen bereits Termine für weitere CRIC-Veranstaltungen fest. Alle Informationen finden Sie hier

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